Frauen und Sichtbarkeit. Mein Start bei der Internationalen Frauenuniversität ifu

12. März 2023

Das Thema Frauen und Sichtbarkeit hat mich als junge Frau zuerst wenig interessiert. Ich dachte: Ich kann doch wie jede(r) andere machen, was ich will. So meine Sicht auf die Welt und mich als Frau darin.

Dann kam die ifu. Es war mein Start in die Arbeitswelt, meine erste Stelle direkt nach der Uni. Ein großes internationales Projekt im Rahmen der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover:

Internationale Frauenuniversität Technik und Kultur / International Women’s University. Abgekürzt: ifu.

Heute, 23 Jahre später, weiß ich: Dieser Job, dieses Projekt mit mehr als 1000 Frauen und Wissenschaftlerinnen aus aller Welt hat mich sensibilisiert für die Sichtbarkeit und Vielfalt von Frauen. Ich habe erkannt und gespürt, dass Frauenthemen relevant sind, dass das Thema längst nicht durch ist und dass Frauen Frauen unterstützen sollten.

Mein Bewusstsein für die großen Themen Diversity und Female Empowerment startete dort. Verbunden mit der Sichtbarkeit von Frauen.

Komischerweise ist mir das erst diese Woche richtig klar geworden – im Rahmen des Internationalen Frauentags am 8. März. Denn da fragte ich mich: Was ist eigentlich aus der ifu geworden? Tippte ifu in die Suche, veröffentlichte einen Post auf LinkeIn und versank in einem Meer von wertvollen Erinnerungen und Bildern.

Es gab und gibt zahlreiche Blickwinkel und Diskussionsansätze zu diesem Projekt. Hier formuliere ich meine aktuellen und ganz persönlichen Gedanken.

Meine zwei Jobs bei der ifu hatten mit der Sichtbarkeit von Frauen zu tun

Ich war nicht als Wissenschaftlerin bei der ifu, sondern als Teil des Projektteams in der Geschäftsstelle. Das prägt natürlich meine Sichtweise auf das Projekt. Konkret war ich Assistentin in zwei Bereichen: im themenübergreifenden Bereich Art Concept und in der PR/Pressestelle. Vorteil: Ich hatte das ganze Programm im Blick und konnte unglaublich viel lernen. Meine Stelle war befristet für ein Jahr von Januar bis Dezember. Die Phasen waren klassisch für ein Projekt: Finale Vorbereitung, Umsetzung, Nachbereitung.

Es war eine sehr arbeitsintensive Zeit. Für alle Beteiligten. Mit meinem heutigen Wissen über Projekte und Teams kann ich sagen, ich habe alle klassischen Phasen miterlebt. Laut dem Modell von Bruce Tuckman durchläuft die Entwicklung einer Gruppe nämlich diese: Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning (Formierung, Konflikt, Stabilisierung, Leistung/Umsetzung, Auflösungsphase).

In meiner Rolle im PR-Bereich machte ich mich stark dafür, ein gemeinsames Vorlesungsverzeichnis (course program) für alle Angebote umzusetzen. Die Broschüre wurde erstellt. Ich erinnere mich, wie ich damals mit meiner klaren wiederholten Aussage „Wir brauchen so etwas!“ bei der ifu-Präsidentin Ayla Neusel punktete.

Das Course Program der ifu in meiner rechten Hand versammelte alle Angebote der Internationalen Frauenuniversität Technik und Kultur im Jahr 2000. Ich habe es heute noch.

Die Vorlesungen und Angebote der Wissenschaftlerinnen konnte ich leider nur vereinzelt besuchen. Denn ich war ja in die Organisation, Information und Dokumentation der Events involviert. Wenn es klappte, war es immer beeindruckend. Ich erlebte Frauen live, die ich zuvor nur aus der Uni-Bibliothek oder den Medien kannte. Wie zum Beispiel diese drei:

Eckdaten zur Internationalen Frauenuniversität ifu während der Expo 2000

Die ifu war ein komplexes Projekt und unglaublich fortschrittlich bezüglich der Themen Lernen, Interdisziplinariät, Frauen und Sichtbarkeit. Heute würde ich von Female Empowerment sprechen und staune, wenn ich meine verbliebenen Unterlagen durchblättere. Hier ein paar Eckdaten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Vom 15. Juli bis 15. Oktober 2000 findet die ifu während der Weltausstellung statt
  • Nachwuchswissenschaftlerinnen aus aller Welt nehmen daran teil, ca. 900
  • Lehrende sind ca. 150 internationale Forscherinnen, Praktikerinnen und Künstlerinnen
  • plus ca. 100 Tutorinnen
  • Universitäten und Hochschulen aus diesen Orten sind beteiligt: Berlin, Bremen, Clausthal, Hamburg, Hannover, Kassel, Suderburg / Nordostniedersachsen
  • Über diese Orte verteilen sich auch die Angebote für die Studentinnen
  • Hauptstandort und Geschäftsstelle ist in Hannover
  • Gesellschafter der ifu GmbH sind das Land Niedersachsen und der Verein ifu e.V.
  • Präsidentin und wissenschaftliche Geschäftsführerin ist Prof. Dr.-Ing. Ayla Neusel
  • es gibt einen Aufsichtsrat und zahlreiche insitutionelle Förderer

Das englischsprachige und interdisziplinär ausgerichtete Studienangebot gliedert sich in 6 Projektbereiche großer aktueller Themen. Jeder Themenbereich wird in der Regel von je einer „Doppelspitze“ aus zwei Dekaninnen und Koordinatorinnen geleitet und betreut.

  • Work / Arbeit
  • Information
  • Body / Körper
  • Migration
  • City / Stadt
  • Water / Wasser

ifu-Flyer mit Basis-Informationen zu den sechs Projektbereichen für die internationalen Studentinnen der Frauenuniversität

Themenbereichsübergreifend gibt es diese Angebote:

  • Open Space Events
  • Virtuelle ifu
  • Art Concept
  • Service Center
  • Exkursionen

Mut haben und mutig sein gehört zur Sichtbarkeit

Ganz stark in Erinnerung sind mir vor allem die Diversität und das große Engagement der beteiligten Frauen geblieben:

Die kulturelle Vielfalt der Teilnehmerinnen, die imponierenden Vorträge und Impulse renommierter Professorinnen und junger Nachwuchswissenschaftlerinnen, die Generationen-Vielfalt der Akademikerinnen in der Geschäftsstelle, die provokanten und vorausschauenden Themenangebote. WOW!

„Ich wollte einfach eine Universität gründen.“

Dieser Satz der Präsidentin Ayla Neusel hat sich bei mir eingeprägt. Noch heute höre ich ihre Stimme, wie sie das bei einem Meeting in der Blumenstraße in Hannover sagt. Ganz unaufgeregt, aber mit spürbarer Leidenschaft und Zielstrebigkeit. Was für eine MUT! Was für ein kühner Gedanke, was für eine Vision.

Die „Welcome to ifu“ Broschüre für die internationalen Studentinnen enthielt praktische Tipps und Infos für die Zeit der ifu-Teilnahme

In der Welcome Broschüre (S.8) steht über die ifu:

„ifu embodies a quite new concept (…) : it is the first and so far only gender-specific university of its kind in Europe, a bold innovation by, for and about women. (…) The teaching and research programme ist governed by the principles of internationality and interdisciplinarity. Other major objectives of the project are to bring together scientists, practitioners and artists in a common endeavour and to make gender and gender relationships an integral part of international research. (…)“

Für mich war es ein Feuerwerk an Themen, Sichtweisen und Meinungen. Eine einmalige Chance „in die Welt“ zu blicken, zu lernen, wie unterschiedlich Frauen sind und wie sehr sie sich trotz aller Unterschiede nahe stehen und ähnliche Themen haben.

Meine Neugier und mein Staunen bei vielen Eindrücken und Erlebnissen werde ich nie vergessen.

Sichtbarkeit vor Social Media: Finde ich die Frauen der ifu heute noch online?

Not really. Meine erste Recherche zur ifu im Netz und auf LinkedIn verläuft eher enttäuschend. Zu „ifu“ finde ich kaum Infos oder Namen. Verrückt! So ein großes Projekt und so wenig Präsenz online? Woran liegt das? Gibt es eine versteckte ifu-online-community? Netzwerken Frauen aus der Wissenschaft an anderen digitalen Orten, die ich (noch) nicht kenne? Oder liegt es einfach daran:

Social Media gab es im Jahr 2000 noch nicht! Leben und Arbeiten lief ohne digitale Netzwerke.

Ich frage mich: Wann fing das mit der Sichtbarkeit in Sozialen Medien eigentlich an? Gab es die wirklich noch nicht? Der Blogartikel „Die Geschichte der Social Networks“ aus 2013 von Vivian Pein, einer Expertin zum Thema, gibt eine gute Übersicht und bestätigt meine Erinnerung, dass es mit facebook und Co erst ein paar Jahre nach der ifu richtig los ging..

Am Frauentag, den 8. März 2023, poste ich spontan auf LinkedIn. Erfolg? Hmmm.

Spontan schreibe ich am Frauentag am 8. März einen Post auf LinkedIn, meinem Lieblingsnetzwerk – erhalte aber keine ifu bezogene Resonanz. Egal, ich schreibe trotzdem diesen Blog-Artikel. Ich bedaure, dass sich die Kontakte dieses grandiosen Projekts irgendwie in Luft aufgelöst haben.

Es gab im Kontext der ifu ein Ziel der weiterführenden virtuellen „vifu“. Doch aussagekräftige Infos, Ansprechpartnerinnen oder Links finde ich dazu bislang nicht, nur diese Seite bei der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ehemalige Domains funktionieren heute NICHT mehr:

  • „www.Int-Frauenuni.de“
  • „www.vifu.de“
  • „www.ifu-hannover.de“

Schade! Ich vermute, ich bin nicht die einzige, die neugierig ist, was aus diesem Projekt, den Teilnehmerinnen und auch den Dokumentationen und Publikationen geworden ist.

Zwei Gründe sehe ich für das „Verschwinden“:

  1. Das Projektende war das Projektende. Für das Verfolgen und den Aufbau einer Community NACH offiziellem Projektende gab es vermutlich weder genug finanzielle noch personelle Mittel. Wie oft bei Projekten.
  2. Digitale Communities waren im Jahr 2000 noch in den Kinderschuhen. Es gab keine sozialen Medien, keine digitalen Bilder oder Selfies, keine Profile und Visitenkarten auf LinkedIn etc. und auch noch kein Smartphone.

Vielleicht ist dieser Blog-Artikel ein Impuls für eine neue online Community oder …. ? Let’s see.

„I’m not a Sir“. Sprache beeinflusst die Sichtbarkeit von Frauen

Meine Sensibilisierung für das Thema geschlechtergerechte Sprache verdanke ich ganz klar meiner Zeit bei der ifu. Dort fiel mir auf: wir verwenden im Alltag selbstverständlich männliche statt weibliche Wortformen, besonders bei Rollen in der Arbeitswelt. Auch bei mir selbst war das so: In meinen Abschlüssen steht Magister für M.A. (nicht Magistra) und Tischler (nicht Tischlerin). Stichwort „generisches Maskulin“, was bedeutet, dass die männliche Form eines Wortes für „alle“ verwendet wird.

Die Sensibilisierung für Sprache war ein zentrales Learnings für mich bei der ifu.

Großartig fand ich die Reaktion einer ifu-Kollegin auf die Anrede „Dear Sirs“ in der englischsprachigen Korrespondenz an die Mitarbeiterinnen oder Studentinnen. Sie antwortete dann gerne mal humorvoll:

„Dear Madame, I am not a Sir, ….“

Mir wurde damals klar: Diesen „männlichen Stempel“ in der Sprache will ich nicht mehr. Ich anfing darauf zu achten, weibliche Formen zu verwenden.

Ich spürte deutlich den Unterschied für meine Selbstwahrnehmung, mein Selbstbewusstsein, meine Sichtbarkeit.

Die ifu formte meine Haltung für weibliche Formen in der Sprache grundlegend.

Ich finde es immer noch wichtig, Frauen darauf aufmerksam zu machen, dass sie kein Projektleiter, sondern eine Projektleiterin sind, kein Lehrer, sondern eine Lehrerin, wenn sie die maskuline Form benutzen. Auch wenn ich manchmal genervte Reaktionen ernte und Irritation spüre. Es zeigt mir: Das Thema ist trotz Gender-Stern noch lange nicht durch.

Unsere Sprache prägt und beeinflusst unsere Rolle, Positionierung und Möglichkeiten in der Arbeitswelt.

Es lohnt sich, darauf zu achten, zu probieren, offen zu sein, passend und korrekt „über sich selbst“ zu sprechen, zu schreiben, zu formulieren. Die Welt, die Selbstwahrnehmung und Sichtbarkeit als Frau ist eine andere und bewusstere, wenn man das tut. Ich lerne und übe hier immer weiter und möchte alle Frauen dazu ermutigen.

Mein erster Job war ein wichtiger Impuls, warum ich Frauen für ihre Sichtbarkeit motiviere

Heute, 23 Jahr nach der ifu, wird mir bewusst, wie stark mich dieses Jahr, die Frauen dort, die aus der ganzen Welt zusammen kamen, die interdisziplinäre Arbeit in einer sehr diverse Community geprägt und bereichert haben.

Meine Sensibilisierung für „Frauen – Sichtbarkeit – Kommunikation“ hat Wurzeln in der ifu.

Meine dort gewonnene Expertise wirkt bis heute und hat Bedeutung für meinen jetzigen Job. Heute berate und coache ich Frauen für ihre authentischen Selbstdarstellung und Positionierung in der Neuen Arbeitswelt.

Dabei geht es vor allem um SICHTBARKEIT und den Mut, sich und seinen Impact in der Welt zu zeigen. Ich spüre große Dankbarkeit für meine Learnings bei der ifu, die mir dabei helfen. Zu all diesen Themen (und vermutlich noch mehr) habe ich dazu gelernt und viel erlebt:

  • Frauen
  • Gender
  • Diversity
  • Generationen
  • Kulturen
  • Sprache
  • Bildung
  • Interdisziplinarität
  • Wissenschaft
  • Communities und Netzwerke

Dankbar und staunend. Jahre später realisiere ich, wie wichtig und prägend mein Job bei der ifu war für meine beckandbold Themen Sichtbarkeit, Selbstdarstellung, Positionierung.

Ich weiß jetzt, meine Arbeit bei der ifu hat mich für immer und umfangreich für das Thema „Frauen und Sichtbarkeit“ sensibilisiert.

Ich denke an den Spruch von Sören Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Stimmt.

Zum Schluss sage ich einfach DANKE – an alle Frauen, denen ich in dieser Zeit begegnen durfte und an alle, die mit dabei waren und das ermöglicht haben. Falls Du diesen Artikel liest und eine davon bist, freue ich mich, wenn Du Dich hier im Kommentar, per Mail, oder Social Media bei mir meldest. ❤️

1 Kommentar

  1. Christina

    Hallo Sabine

    Ich bin über einen Umweg auf deinen Beitrag zur ifu gestossen. In einem Schweizer Magazin wurde Barbara Duden erwähnt – an sie hatte ich schon sehr lange nicht mehr gedacht. Dann hab ich gegoogelt, was sie so macht und bin dann bei dir gelandet. Ich habe an der ifu teilgenommen, im Bereich Körper. Damals war ich Journalistin und habe in Südafrika gelebt (war 13 Jahre dort und habe für südafrikanische und Schweizer Zeitungen gearbeitet, auch freiberuflich als Trainerin). War nicht geplant, dass ifu ein Pilot ist und weitere folgen sollten? Was ist damit passiert. Und bist du in der Zwischenzeit auf weitere Ifulerinnen gestossen? Ich hatte noch Kontakt mit Natasha Becker (Südafrikanerin, die aber, soweit ich weiss, in den USA lebt und als Kuratorin arbeitet) und sie mal in Berlin getroffen, weil wir beide über Facebook erfahren haben, dass wir gleichzeitig dort sind. Ist aber auch schon ein paar Jahre her. Mit Salam Hamdan Abed El-Majeed, einer Palästinenserin, die an der Al Quds Universität Gender Studies doziert hat, war ich einige Jahre in Kontakt. Leider haben wir uns aus den Augen verloren. Ich habe noch eine alte E-Mail – in der jetzigen Situation habe ich auch wieder an sie gedacht. Ausserdem habe ich immer wieder an eine iranische Medizinstudentin gedacht, die ich an der ifu kennengelernt habe, dessen Namen ich aber leider vergessen habe. Es wäre schön, mehr zu erfahren! Dein Gesicht kommt mir auch bekannt vor :-). Ich arbeite seit ein paar Jahren für die NGO PeaceWomen Across the Globe/FriedensFrauen Weltweit – die Website-URL ist unten.

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